Landkreis Holzminden (afi) Während in anderen Regionen ausgelassen Karneval gefeiert wurde, standen im Landkreis Holzminden die Haushaltsberatungen des Kreistages an. Bei den vorgelegten Zahlen handelte es sich eigentlich um ein ernstes Thema, doch den zahlreich erschienenen Zuschauern wurden ähnliche Unterhaltungshighlights wie in den Faschingshochburgen geboten.

Die Ausschusssitzungen der letzten Wochen ließen bereits eine ungewöhnliche Debatte erwarten und genauso kam es dann auch. Die neue Mehrheitsgruppe, bestehend aus CDU, FDP und UWG präsentierte sich uneinheitlich, manchmal arg überfordert und die überlastete Sitzungsleitung trug wesentlich zum teilweise chaotisch anmutenden Schauspiel bei. Schon nach einer halben Stunde war man bei Tagesordnungspunkt 2 angelangt; zu diesem Zeitpunkt hatte die Mehrheitsgruppe bereits ihre Macht demonstriert und einen harmlosen, aber logischen Antrag der SPD-Fraktion zum Tausch von zwei Tagesordnungspunkten rigoros und völlig ohne Grund abgelehnt, ebenso wurden ohne plausible Begründung die Themenbereiche Wirtschaftsplan Kreisvolkshochschule und Abfallwirtschaft ganz von der Tagesordnung genommen. Dringlichkeitsanträge der Mehrheitsgruppe wurden wieder zurückgezogen, man sprach von einer außerordentlich einzuberufenden Kreistagssitzung. Nichts genaues weiß man nicht, aber die eingeschworenen Gruppenmitglieder der Mehrheit nickten diese Vorgaben ihrer Führung erstmal ab. Es sollte nicht die einzige umstrittene Machtdemonstration an diesem Abend bleiben.

Ab dem Punkt Haushaltssicherungskonzept gelang es nur noch mit Mühe, die Redebeiträge zu ordnen. Zunächst rief ein aufgeregter SPD-Landrat Walter Waske tapfer nach einer Erhöhung der Kreisumlage, geißelte die Arbeit der SPD-Fraktion in den letzten Jahren und suchte den Kuschelkurs mit der Mehrheitsgruppe. Ohne Erfolg, wie sich zeigen sollte, denn auch die Schwarz-Blau-Gelben lehnten die Umlageerhöhung ab. Gruppensprecher Asche präsentierte das Werk der Grausamkeiten: 2% pauschale Kürzung bei den Personalausgaben, 280.000 Euro Einsparungen im Sachmittelbereich, Kürzung um 100.000 Euro bei den Bedarfsgemeinschaften (Hartz IV), 170.000 Euro Kürzung der Demographiemittel (Vorzeigeprojekt des Landkreises), Streichung des Einsatzleitwagens der Kreisfeuerwehr (Verschiebung auf 2009 und 2010), Zuschusskürzung von 50.000 Euro für die Kreisvolkshochschule und drastische Anhebung bei den Bußgeldeinnahmen. Einzelheiten nannte Asche nicht, es blieb bei pauschalen Aussagen. Andreas Pasewark (SPD) kritisierte in seiner Stellungnahme die einzelnen Positionen und Andreas Fischer (SPD) warf dem Gruppensprecher vor, bereits bei den Finanzausschusssitzungen kein Konzept gehabt zu haben und rügte den nach Gutsherrenart geführten Beratungsstil. Zum Thema Einsatzleitwagen meinte Fischer, es könne sich nur um einen Karnevalsscherz handeln, denn das Fahrzeug sei dringend nötig und vom Ausschussvorsitzenden Steenbock (CDU) mit beschlossen. Zudem stünden in der mittelfristigen Finanzplanung in den Jahren 2009 und 2010 für die Feuerwehr weitere Anschaffungen, die dann entweder nicht mehr bezahlbar seien oder wieder verschoben würden. SPD-Fraktionsvorsitzender Uwe König warf der Gruppe Luftbuchungen vor und lehnte den vorgelegten Haushalt mit den genannten Änderungen grundsätzlich ab. Doch aller Argumente zum Trotz: Die Liste mit Änderungsanträgen von Grünen und SPD wurde abgelehnt, der Haushalt mit Mehrheit beschlossen.

Zum Fiasko geriet die Beratung über die Ausweitung des Vogelschutzgebietes im Sollingvorland. Für die Gruppe trug Hermann Grupe (FDP) einen Antrag vor. Zum Schluss seiner Ausführungen zitierte Grupe (in öffentlicher Sitzung!) aus einem Brief des niedersächsischen Umweltministers Hans-Heinrich Sander, indem sich dieser in nicht zu akzeptierender Weise negativ über die Verwaltung des Landkreises Holzminden äußerte. Dem Wunsch eines erregten Landrates nach Aushändigung des Schriftstücks kam Grupe nicht nach, auch als Waske wiederholt über die Sitzungsleitung intervenierte. Nach mehreren Redebeiträgen war eines klar, nämlich, dass nichts mehr klar war. Eine beantragte sofortige Abstimmung wurde von der Mehrheit angelehnt, sie wünschte eine Sitzungsunterbrechung. Das Votum nach der Unterbrechung geriet dann zur völligen Katastrophe für die Regierungstruppe: Der Vorschlag der Verwaltung wurde mit den Stimmen der Gruppe abgelehnt, der eigene Antrag führte dann bei zwei Enthaltungen zur Patt-Situation, damit war auch dieser Antrag abgelehnt. Ernüchtert stellte der Vorsitzende fest, dass es der Kreistag nicht geschafft habe, eine Entscheidung zu diesem TOP zu treffen, eine erneute Beratung des Themas sei lt. Satzung erst wieder in sechs Monaten möglich.

Den Abschluss dieser denkwürdigen, 5-stündigen Sitzung bildete eine Bemerkung des Angeordneten Eckart Jungk (SPD). Er kritisierte (zu Recht), die Terminplanung mit Kreisausschuss und Kreistag an einem Tag hintereinander. Immerhin hatten die Kreisausschussmitglieder bereits einen Sitzungsmarathon von 10 Stunden hinter sich, übrigens ohne Verpflegung.