Europa eine neue Richtung geben.
Wahlprogramm für die Europawahl am 25.Mai 2014
Europa ist das größte Zivilisationsprojekt des 20. Jahrhunderts. Seine Idee ist verbunden mit der Idee der Aufklärung und der Emanzipation. Europa hatte und hat das Ziel, das friedliche und demokratische Miteinander der MEnschen auf unserem Kontinent zu siucher, indem es auf den Ideen von Freiheit, Gleichheit und Solidarität aufbaut.
Doch diese Idee droht unkenntlich zu werden. Deshalb muss sich etwas ändern in Europa! Europa ist in keinem guten Zustand. Das europäische Projekt verliert an Vertauen. Immer mehr MEnschen zweifeln an seinem Wert und Nutzen und an den europäischen politischen Institutionen.
Vertrauen in die europäische Idee zurückgewinnen
Es ist einfach und gefährlich zugleich, das europäische Projekt abzuschreiben oder schlechtzureden. Die Europäische Union dagegen zu verstehen und ihre Mängel und Fehler zu bekämpfen, ist anstrengend – aber jeder Mühe wert! Europa muss und kann anders sein. Es kann unser Europa sein.
Das Europa derjenigen, die sich mit Energie und Kraft für Frieden und Menschenrechte einsetzen, die ohne Wenn und Aber für gesundes und sauberes Wachstum, gute Arbeit und starke soziale Rechte sind, die sich mit Empörung gegen die Dominanz der Finanzmärkte aussprechen, die sich an Entscheidungen in Europa beteiligen wollen und ihre Stimme zur Geltung bringen wollen, die bei den schrecklichen Fernsehbildern von verzweifelten Flüchtlingen an Europas Grenzen nicht die Augen verschließen, und diejenigen, die in der Europäischen Zusammenarbeit die einzige realistische Chance sehen, all dies zu verwirklichen.
Wir müssen und werden nicht aufhören, genau für dieses Europa zu kämpfen. Denn zu behaupten, wir könnten das in Deutschland alles alleine viel besser regeln, vielleicht sogar mit D-Mark und geschlossenen Grenzen, ist eine gefährliche Illusion, die von Populisten als gerne einfache Lösung für die Herausforderungen der EU präsentiert wird. Es ist nicht einfach, aber möglich, Europa auf einem guten Weg voranzubringen.
Europa kann auf beeindruckende Erfolge zurückblicken. Es ist das weltweite Pionierprojekt für eine staatenübergreifende Zusammenarbeit und Demokratie. Aufklärung, Emanzipation der Bürgerinnen und Bürger mit starken Rechten, ein respektvoller, friedlicher Umgang miteinander über Sprach- und Landesschranken hinweg – das ist eine Erfolgsgeschichte ohne Gleichen. Ein Selbstläufer ist diese Geschichte nicht.
Wir treten dafür an, damit das europäische Projekt nicht noch weiter an Vertrauen verliert. Immer mehr Europäer zweifeln und gehen mit der EU hart ins Gericht. Sie nehmen Europa als abgehoben und bürokratisch wahr. Sie haben ganz andere Erwartungen an Europa.
Sie wollen ein Europa, das sie beschützt – als Eltern, als Kinder, als Arbeitnehmer, als Arbeitsloser, als Rentner, als Verbraucher, als Sparer, als Investor im Netz, als Bürgerin oder Bürger. Sie wollen kein Europa, das verantwortungslose Banken unterstützt, das in großem Stil Steuerflucht toleriert, das Entscheidungen hinter verschlossenen Türen trifft, das Arbeitnehmer gegeneinander ausspielt oder Kommunen drängt, die eigenen Wasserbetriebe oder die Sparkassen zu privatisieren.
Damit Europa wieder mehr Vertrauen schafft und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in uns weckt, muss die europäische Idee neu gedacht werden. Wir brauchen einen Politikund Stilwechsel in Europa. Wir brauchen mehr Beteiligung an europapolitischen Diskussionen und Entscheidungen. Wir müssen uns über die Zukunft Europas dauerhaft und auf demokratischem Weg streiten. Wahlen alle fünf Jahre sind bei weitem nicht genug für die Debatte, die wir brauchen!
Wir müssen Europa eine neue Richtung geben. Offen, vielfältig, lernfähig muss es sein, nicht: geschlossen, elitär, bürokratisch. Wir müssen klarstellen, dass die Bürgerinnen und Bürger und das Parlament das letzte Wort haben, und nicht Technokraten oder gar Wirtschaftsinteressen.
Wir müssen dafür sorgen, dass europäische Politik so gemacht wird, dass sie einen konkreten Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger hat. Also: beim Schutz ihrer sozialen Rechte, nicht bei deren Abbau. Beim Schutz ihrer Spareinlagen, nicht für den Schutz von Banken. Beim Schutz der Umwelt, nicht ihrer Zerstörung. Beim Schutz der regionalen Vielfalt, nicht bei deren Einebnung.
Wir wollen eine Politik für Europa, die nur das regelt, was nicht lokal, regional und national besser geregelt werden kann. Dort, wo es allerdings auf gemeinsame europäische Antworten ankommt, brauchen wir ein handlungsfähiges Europa mit starken demokratischen Institutionen.
Das, was im 20. Jahrhundert mit der sozialen Marktwirtschaft im nationalen Rahmen gelungen ist, muss im 21. Jahrhundert auf europäischer Ebene erneut erkämpft und gesichert werden: Eine gerechte, demokratische und soziale Ordnung der Märkte, die das Wirtschaften auf den Wohlstand Aller und nicht den Reichtum einiger weniger verpflichtet.
Wir wollen erreichten Wohlstand behaupten und neuen erarbeiten. Dafür brauchen wir die beste Bildung, einen fairen Wettbewerb, gute Ideen und eine gehörige Portion Mut und Vertrauen – in die europäischen Werte und die Zukunft Europas.
Die Europawahl 2014 ist angesichts dieser Herausforderungen die wichtigste Europawahl seit langem. Sie stellt politische Weichen, die mit darüber entscheiden werden, ob Europa weiter zusammenhält und sich gemeinsam aus der Krise heraus eine gute Zukunft entwickeln kann - oder ob Europa zurückfällt in alte Muster nationaler Konkurrenz und nationaler Ressentiments, die letztlich Allen schaden und Frieden, Wohlstand und Demokratie auf unserem Kontinent in Frage stellen.
Die Europawahl hat auch deshalb eine völlig neue Qualität, weil die Bürgerinnen und Bürger unmittelbarer als bisher erstmals darüber mitentscheiden werden, wer künftig Präsident der Europäischen Kommission sein wird. Als erste der Parteienfamilien hat die europäische Sozialdemokratie einen gemeinsamen Kandidaten für die Europawahl und das Amt des EU-Kommissionspräsidenten nominiert.
Wir sind stolz, dass mit Martin Schulz ein deutscher Sozialdemokrat dieser erste Spitzenkandidat aller europäischen Sozialdemokraten sein wird und dadurch nächster EUKommissionspräsident werden kann.
Europa braucht neue politische Mehrheiten im Europäischen Parlament und einen neuen politischen Kurs an der Spitze der EU-Kommission. Mit einem sozialdemokratischen Erfolg bei der Europawahl ist dieser politische Wandel möglich!
Ein Europa der Bürger - nicht der Banken und Spekulanten
Wir wollen, dass Europa die treibende Kraft für eine neue Ordnung der Finanzmärkte ist, die diese auf ihre dienende Funktion gegenüber der Gesellschaft und der realen Wirtschaft zurückführt. Daran, ob dies Europa gelingt, wird sich wesentlich mit entscheiden, ob unser europäisches Modell einer sozialen Marktwirtschaft auch in Zukunft Bestand haben wird. Wir müssen den Primat der Politik gegenüber den Finanzmärkten wieder zurückzugewinnen.
Wer durch exzessive Spekulation und Profitgier die Krise verursacht hat, muss auch für ihre Kosten aufkommen. Auch wollen wir, dass künftig in erster Linie die Banken selbst für ihre Risiken haften – und nicht die Steuerzahler. Im Falle von Bankenpleiten muss der Teufelskreis zwischen Bankenschulden und Staatsschulden wirksam durchbrochen werden. Nie wieder dürfen wir zulassen, dass Banken und andere Akteure auf den Finanzmärkten ganze Volkswirtschaften und Staaten mit in den Strudel ziehen können.
• Eine handlungsfähige Banken-Union: Die Banken-Union, die sich aus der gemeinsamen Aufsicht, einem Mechanismus zur Bankenabwicklung und einem System der Einlagensicherung zusammensetzt, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass künftig Bankenpleiten besser vermieden werden können. Wir wollen einen zügigen Aufbau eines einheitlichen europäischen Abwicklungsfonds für die systemrelevanten grenzüberschreitenden Banken, der perspektivisch vollständig durch Bankenabgaben finanziert werden soll, deren Höhe sich an Systemrelevanz, Größe und Risikoprofil von Banken
orientiert. Ein solcher Fonds muss auf rechtssicherer Grundlage errichtet werden und seine Verfahrensweisen praktikabel ausgestaltet sein. Insbesondere ist sicherzustellen, dass Eigentümer und Gläubiger durch eine klare Haftungskaskade konsequent vorrangig herangezogen werden.
• Steuer gegen Spekulation: Die Finanztransaktionssteuer muss zügig mit niedrigem Steuersatz und breiter Bemessungsgrundlage umgesetzt werden. Damit die Krisenverursacher endlich auch die Krisenkosten mittragen! Die Politik des Aufschubs und Verschleppens durch Konservative und Liberale muss endlich ein Ende haben.
• Bessere Regeln für Banken und Finanzmärkte: Die vereinbarten strengeren Eigenkapitalvorschriften für Banken müssen noch weiter ergänzt werden. Wir wollen gerade auch auf europäischer Ebene eine deutlichere Einschränkung riskanter Geschäfte und eine striktere Trennung von Investment- und Geschäftsbanking. Akteure des sogenannten Schattenbanksektors, vor allem die hochspekulativen Hedgefonds, müssen endlich so reguliert werden, dass für sie die gleichen Maßstäbe und Pflichten gelten wie im klassischen Bankensektor. Der Hochfrequenzhandel muss effektiv eingedämmt werden, Rohstoff- und Nahrungsmittelspekulationen müssen beendet werden. Derivate müssen künftig auf transparenten und geregelten Handelsplattformen gehandelt werden. Und wir wollen, dass in Europa alle Finanzprodukte von einem öffentlichen Finanz-TÜV geprüft werden, bevor sie auf den Markt gelangen.
• Striktere Regeln für Rating-Agenturen: Außerdem bedürfen Rating- Agenturen einer strikteren Regulierung. Das Gewicht ihrer Ratings bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Finanzprodukten muss weiter reduziert werden. Wir wollen auch die Gründung europäischer Ratingagenturen fördern.
Ein Europa der Vielfalt - nicht des Zentralismus
Die Vielfalt der Kulturen und Sprachen, der Städte, Kommunen und Regionen ist Teil des kulturellen Reichtums unseres Kontinents und zeichnet Europa aus. Diese Vielfalt ist eine Stärke. In unserem Europa der offenen Grenzen ermöglicht sie uns allen Erfahrungen, die uns mit anderen Kulturen zusammenbringen und uns Neues zeigen. So entsteht ein Erfahrungsschatz, der eine wichtige Grundlage für Weltoffenheit, Toleranz und Demokratie in unseren Gesellschaften ist. Wir wollen deshalb ein Europa, das Vielfalt respektiert und wo immer möglich fördert.
• Subsidiarität: Politisch bedeutet Respekt für Vielfalt in Europa, dass Aufgaben dort angepackt werden sollten, wo sie am besten politisch zu lösen sind. Die EU sollte nur das regeln, was die Städte, Kommunen, Länder oder Staaten nicht besser selbst regeln können. Wir wollen, dass sich die EU an dieses Prinzip hält. Dies ist ein Gebot der Bürgernähe.
• Vielfalt der Kommunen und Regionen: Die Städte, Kommunen und Regionen sind die Orte, an denen sich die Vielfalt Europas in besonderer Weise entfaltet. Wir wollen deshalb, dass die Interessen der Kommunen und Regionen in der europäischen Politik ein noch größeres Gewicht bekommen. Kommunen und Regionen müssen noch besser an europäischen Entscheidungen beteiligt, grenzüberschreitende Kooperationen und kommunale Partnerschaften noch stärker unterstützt werden. Auch die Förderung strukturschwacher Stadtteile und ländlicher Gebiete durch die Regional- und Strukturpolitik der EU ist ein wichtiger Beitrag, um die regionale Vielfalt zu erhalten und den territorialen und sozialen Zusammenhalt Europas zu stärken.
• Schutz der Daseinsvorsorge: Nationale, regionale und lokale Besonderheiten in der öffentlichen Daseinsvorsorge müssen erhalten und geschützt werden. Die Bandbreite dieser Dienstleistungen reicht von der Grundversorgung mit Wasser und Energie über den öffentlichen Personennahverkehr bis hin zu den Bereichen Wohlfahrt, Gesundheit, öffentlich-rechtlicher Rundfunk oder Kultur. Auch auf europäischer Ebene muss sichergestellt werden, dass Kommunen selber entscheiden können, wie sie ihre öffentlichen Aufgaben erbringen. Wir wollen, dass alle Menschen den gleichen Zugang zu Gütern und Leistungen der Daseinsvorsorge haben. Deshalb werden wir uns Vorhaben, die einen Zwang zur Privatisierung beinhalten, entschlossen entgegenstellen.
• Europäische Kultur- und Medienpolitik: Wir wollen die europäische Kulturpolitik insbesondere dahingehend weiter stärken, dass sie die kulturelle Vielfalt Europas fördert und für möglichst viele Menschen erlebbar und erfahrbar macht. Wir unterstützen das Programm „Kreatives Europa“ zur Fortentwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Auch dürfen wir es in
Europa nicht zulassen, dass es zu Medienkonzentrationen kommt, die die Pluralität und Freiheit der Presse beschneiden können. Die mediale Vielfalt ist ein Stützpfeiler unserer Demokratie.
Ein Europa der Demokratie - nicht der Bürokratie
Wir wollen, dass ein „Europa der Parlamente“ mit einer engen Zusammenarbeit zwischen einem gestärkten Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten das Gegengewicht zur Regierungszusammenarbeit darstellt. Die Staats- und Regierungschefs haben immer mehr Entscheidungen an sich gezogen. Dies SCHWÄCHT die EUInstitutionen und macht die EU intransparent und schwerfällig, weil der Rat einstimmig entscheidet und dadurch wichtige und notwendige Beschlüsse immer wieder verzögert oder verwässert werden. Statt auf zwischenstaatliche Vereinbarungen setzen wir darauf, dass das Europäische Parlament an allen Entscheidungen umfassend beteiligt ist, auch beim europäischen Krisenmanagement. Europa muss auf diese Weise demokratisiert werden. Doch die europäische Demokratie kann nur dann neues Vertrauen gewinnen, wenn sie nicht von der EU-Bürokratie überlagert wird. Demokratisierung und Entbürokratisierung müssen deshalb in Europa ineinandergreifen.
• Konzentration auf das Wesentliche: Die Akzeptanz der europäischen Demokratie leidet darunter, dass viele Bürgerinnen und Bürger die europäischen Entscheidungsprozesse und die Rolle der EU-Institutionen kaum noch nachvollziehen können und als zu bürokratisch empfinden. Deshalb wollen wir, dass sich die EU und ihre Organe auf das wirklich Wesentliche konzentrieren: Auf die Zukunftsaufgaben, die wir nur mit gemeinsamer europäischer Kraft meistern können. Europa braucht eine neue Kultur der Zurückhaltung in der Gesetzgebung.
• Weniger Bürokratie: Die europäische Gesetzgebung muss einem wirksamen „Bürokratie-Check“ unterworfen werden. Bestehende und neue Gesetze müssen durch einen Normenkontrollmechanismus auf Effizienz und Praktikabilität geprüft werden. Die EU muss klare und noch ambitioniertere Abbauziele für die Rückführung der Bürokratie festlegen. Auch braucht die EU ein neues Lobbygesetz mit strengeren Regeln für Lobbyisten.
• Reform der EU-Kommission: Die EU-Kommission muss reformiert werden. Dazu gehört, der Kommission eine solche Struktur zu geben, dass sie handlungsfähig und entscheidungsorientiert arbeiten kann.
• Eine lebendige europäische Zivilgesellschaft: Wir wollen die bestehende europäische Bürgerinitiative besser nutzen, damit Bürgerinnen und Bürger noch stärker auf die europäische Gesetzgebung einwirken können. Dies ist ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie. Und wir wollen daran mitwirken, ein freiwilliges, bezahltes europäisches Jahr für alle Alters- und Berufsgruppen als einen Baustein für eine europäische Zivilgesellschaft zu entwickeln.
• Eine wehrhafte europäische Demokratie: Wir dürfen Europa nicht den Rechten und Populisten überlassen, die alte Gräben neu aufreißen wollen und die Demokratie in Europa mit Füßen treten. Als ein konkreter Schritt sollte ein umfassendes europäisches Aktionsprogramm gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus auf den Weg gebracht werden, das auch die Staaten in die Pflicht nimmt und die Verteidigung der Demokratie in Europa als gemeinsame Aufgabe anpackt.
• Für verstärkte Zusammenarbeit: Um die Handlungsfähigkeit der EU auch in Bereichen zu steigern, in denen nicht von vorneherein alle EU-Staaten zu Fortschritten bereit sind, sollte das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit stärker genutzt werden. Eine Gruppe von Staaten sollte in einem strukturierten Prozess politische Felder identifizieren, auf denen im Rahmen der EU Fortschritte durch verstärkte Zusammenarbeit von Staaten möglich sind.
• Europäische Zukunftsdebatte: Wir wollen einen europäischen Zukunftskongress initiieren, der jenseits der Tagesaktualität Vorstellungen für die Zukunft der EU entwickelt. Dies muss eine der ersten Maßnahmen der neuen EU-Kommission sein.
Ein Europa der Steuergerechtigkeit – nicht der Verantwortungslosigkeit
Steuern finanzieren die öffentliche Daseinsvorsorge und öffentlichen Zukunftsinvestitionen und sind damit die Grundlage für soziale Gerechtigkeit. Über eine Billion Euro gehen EUweit der Allgemeinheit, also den Bürgerinnen und Bürgern, jährlich allein aufgrund von Steuerbetrug und Steuervermeidung verloren. Fehlende Einnahmen bedeuten fehlende öffentliche Investitionen.
Wir akzeptieren nicht, dass sich Millionäre oder Großunternehmen nicht an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligen, weil sie sich durch legale oder illegale Steuerflucht oder Steuervermeidung ihrer Verantwortung entziehen, während normalen Steuerzahlern immer mehr Lasten aufgebürdet werden! Im Binnenmarkt mit grenzenloser Unternehmens- und Kapitalmobilität kann ein effektiver Kampf gegen Steueroasen, Steuerbetrug und Steuerumgehung nur europäisch gelingen.
• Bündnis zur Stärkung der Staatsfinanzen: Dem Wettlauf zwischen den Mitgliedsstaaten um die niedrigste Unternehmenssteuer muss durch eine gemeinsame Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftssteuer und die Einführung eines Mindeststeuersatzes ein Ende gesetzt werden. Und es muss der Grundsatz gelten, dass Unternehmen dort ihre Steuern zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften.
• Null Toleranz für Steuerbetrug: Aufsichtsbehörden sollten Finanzinstituten, die am Steuerbetrug mitwirken oder diesen erleichtern, die Banklizenz entziehen können. Unternehmensregister in der EU müssen um Informationen zu den wirtschaftlich Begünstigten von Unternehmen, Stiftungen, Trusts und ähnlichen Rechtsstrukturen ergänzt werden. Durch einen automatischen Informationsaustausch der Mitgliedstaaten über Zinserträge kann sichergestellt werden, dass weitere Schlupflöcher geschlossen werden können. Der Rat muss die überarbeitete EUZinssteuerrichtlinie endlich annehmen und perspektivisch auf alle Kapitaleinkünfte sowie alle juristische Personen ausweiten.
• Steueroasen trocken legen: Wir wollen, dass bis Ende 2014 Steueroasen identifiziert und auf einer europäischen schwarzen Liste veröffentlicht werden. Gegen die auf dieser Liste geführten Drittstaaten sollen von den EU-Staaten zuvor gemeinsam festgelegte Sanktionen verhängt werden können.
Ein Europa für gute Arbeit- nicht der Arbeitslosigkeit
Die Arbeitslosigkeit, besonders die unter Jugendlichen, hat in etlichen europäischen Ländern dramatische Höhen erreicht. Zum Teil ist mehr als jeder zweite Jugendliche ohne Job. Wir dürfen diese jungen Menschen nicht im Stich lassen! Die Zukunft unseres Kontinents hängt davon ab, dass die nächste Generation die Chance auf Bildung, eine qualifizierte Ausbildung und gute Jobs hat. Wir wollen deshalb einen Rettungsschirm für Europas Jugend!
• Klare Prioritäten und Ziele: Der Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit muss oberste Priorität europäischer Politik sein. Die auf sozialdemokratische Initiative hin vereinbarten europäischen Mittel gegen Jugendarbeitslosigkeit müssen zügig in den nächsten zwei Jahren zur Verfügung stehen und nötigenfalls deutlich aufgestockt werden. Die Mittel sollten in einem Jugendbeschäftigungs-Fonds gebündelt werden. Auch sind wir für klare, möglichst verbindliche Ziele zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit im Europäischen Semester. Ziel sollte es sein, in Europa die Jugendarbeitslosigkeit in fünf Jahren um mindestens 30 Prozent zu verringern!
• Die Europäische Jugendgarantie: Die von uns durchgesetzte Europäische Jugendgarantie muss national und europäisch rasch umgesetzt werden. Die Jugendgarantie sieht vor, dass jeder arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren binnen vier Monaten ein Angebot für einen Job, eine Ausbildung oder ein Praktikum erhält. Dazu sind verbindliche Etappenziele und eine ausreichende Finanzausstattung notwendig. • Ein Qualitätsrahmen für Praktika: Praktika können allerdings nur dann Perspektiven eröffnen, wenn sie die jungen Menschen nicht ausbeuten. Deshalb unterstützen wir einen europäischen Qualitätsrahmen für Praktika, der Standards für eine faire Entlohnung und eine gute fachliche Qualität der Praktika festlegt.
• Europäische Jugendpolitik: Wir sind für den Ausbau von Europaschulen, verbesserte Jugendbildungsarbeit und Jugendmobilität. Wir wollen dafür sorgen, dass gerade auch viele junge Menschen vom neuen EUAustauschprogramm „ERASMUS+“ für Bildung, Ausbildung, Kultur und Sport profitieren können.
So wichtig es ist, den Binnenmarkt weiter auszubauen und gute Marktbedingungen für wettbewerbsfähige Unternehmen und besonders einen leistungsfähigen Mittelstand in Deutschland und Europa zu schaffen: Dies darf nicht auf dem Rücken der Menschen und vor allem nicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfolgen.
Dort, wo wirtschaftliche Aktivität grenzüberschreitend ist, dürfen Arbeitnehmerrechte nicht an den Grenzen Halt machen. Auch in Europa muss Augenhöhe zwischen Arbeit und Kapital, zwischen Arbeitnehmerschaft und Unternehmertum gelten. In diesem Sinne wollen wir eine soziale Marktwirtschaft in Europa gestalten und eine europäische Sozialunion aufbauen.
• Gute Arbeit – gute Löhne: Wir wollen gleiche Lohn- und Arbeitsbedingungen für gleiche Arbeit am gleichen Ort - für Männer und für Frauen! Das europäische Entsenderecht sollte entlang dieses Prinzips weiterentwickelt werden. Auch müssen die Rechte von entsandten Beschäftigten bei der Durchsetzungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie verbessert und Kontrollen verschärft werden, damit insbesondere auch Schwarzarbeit effektiv zurückgedrängt werden kann. Wir wollen, dass das Prinzip der guten Arbeit noch stärker in der Politik der EU verankert wird, gerade auch in der europäischen Industrie- und Dienstleistungspolitik. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse wollen wir zurückdrängen. Der Arbeitsschutz muss europaweit ausgebaut werden. Versuchen, in kleinen und mittleren Unternehmen den Arbeitsschutz auszuhebeln, stellen wir uns entgegen.
• Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping: Beschäftigte in Europa müssen effizienter vor Ausbeutung und sittenwidrigen Arbeitsbedingungen geschützt werden. Lohn- und Sozialdumping durch Unternehmen ebenso wie Staaten darf in Europa kein Raum gegeben werden. Wir müssen Verstöße gegen das Arbeitsrecht wie Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht auf europäischer Ebene ahnden und sanktionieren. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die in verschiedenen europäischen Ländern Arbeiten und wohnen, dürfen nicht durch Regelungslücken zwischen den nationalen Sozialsystemen benachteiligt werden.
• Arbeitnehmerfreizügigkeit sichern: Der Austausch von Waren, von Dienstleistungen, Kapital und der Austausch europäischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind konstitutive Elemente des europäischen Einigungsprozesses. Arbeitnehmerfreizügigkeit steht für uns daher nicht zur Disposition. Allerdings gilt auch, dass durch klare Kriterien und Regeln die Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der EU nicht zum Missbrauch von Sozialleistungen führen dürfen. Dazu gibt es sowohl europarechtliche als auch bundesdeutsche gesetzliche Grundlagen, die angewandt und auch durchgesetzt werden müssen. Ob es darüber hinaus gehenden Handlungsbedarf gibt, wird gegenwärtig geprüft. Zuwandernde Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen faire Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben und dürfen nicht in prekäre oder illegale Beschäftigung abgedrängt werden. Die Kommunen brauchen finanzielle Hilfe, um ihre Aufgaben bei der Integration erfüllen zu können.
• Ein Europäischer Pakt für Mindestlöhne: Wir setzen uns für einen Europäischen Pakt für Mindestlöhne ein, der Korridore für existenzsichernde Mindestlöhne gemessen am jeweiligen Durchschnittseinkommen in allen EU-Mitgliedsstaaten festlegt. So kann verhindert werden, dass es zu einer fatalen Abwärtsspirale kommt.
• Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen unterbinden: Der massiv angewachsene Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen muss gerade auch auf europäischer Ebene wirksam bekämpft werden. Wir müssen europaweit zusammenarbeiten um grenzüberschreitendem Betrug und Missbrauch zu begegnen. Dazu brauchen wir mehr Kontrollrechte auf europäischer und nationaler Ebene!
• Soziale Grundrechte stärken: Wir wollen, dass soziale Grundrechte nicht der Marktfreiheit im Binnenmarkt untergeordnet werden, sie müssen zumindest gleichrangig sein. Die EU muss die Tarifautonomie und Sozialpartnerschaft zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern respektieren und weiter stärken. Die Tarifautonomie muss im europäischen Recht und vor allem auch im Rahmen des Europäischen Semesters gesichert werden. Die Sozialpartner-Vereinbarungen im Sozialen Dialog müssen von den EU-Organen respektiert werden und auf Wunsch der Sozialpartner auch rechtliche Verbindlichkeit erlangen können.
• Mehr europäische Mitbestimmung: Die Standards für Mitbestimmung in Unternehmen europäischer Rechtsform und bei transnationalen Unternehmensaktivitäten müssen weiter ausgebaut werden. Die Richtlinie zu europäischen Betriebsräten muss evaluiert und weiter verbessert werden.
• Starker Verbraucher- und Datenschutz: Verbraucherschutz ist Bürgerschutz! In einem Binnenmarkt, in dem Unternehmen grenzüberschreitend operieren und Güter und Dienstleistungen anbieten, brauchen wir auch starke europäische Rechte und Standards im Verbraucherschutz. Vor allem im Lebensmittelrecht und bei Produkten für Kinder gilt es höchste Sicherheits- und Qualitätsstandards durchzusetzen. Auch treten wir für ein umfassendes europäisches Regime zum Datenschutz ein. Die Menschen dürfen weder zum Spielball der ökonomischen Interessen gigantischer Internet-Konzerne werden, noch schutzlos den Sicherheitsinteressen einzelner Staaten ausgeliefert sein. Auch der Beschäftigtendatenschutz muss gestärkt werden.
Ein Europa der Gerechtigkeit - nicht der Chancenlosigkeit
Die Soziale Marktwirtschaft ist unser Leitbild für die EU. Das Soziale Europa ist kein Gegensatz zu wirtschaftlicher Dynamik. Im Gegenteil: Es ist die Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Genauso wie es die Voraussetzung für die Hoffnungen und Entfaltung eines jeden Einzelnen ist. Chancenlosigkeit motiviert nicht, sie lähmt und verängstigt. Unsicherheit bringt Menschen nicht zusammen, sie schürt Misstrauen und Vorurteile.
Die Krise Europas und ihre Reaktion darauf befeuern Ängste: die Angst vor einer übermäßigen Belastung durch Hilfskredite, die Angst vor einer Entwertung von Ersparnissen, den Job zu verlieren oder keinen neuen zu finden, die Angst um die Rente – die Angst vor der Zukunft. Europa muss diese Ängste sehr ernst nehmen. Die Ängste dürfen nicht in Misstrauen und Vorbehalte untereinander und gegenüber der Europäischen Union umschlagen. Es muss dafür sorgen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in und mit Europa sicher und gut aufgehoben fühlen. Dafür brauchen wir ein Europa mit einem starken sozialen Pfeiler.
• Bildung als Schlüsselaufgabe: Eine qualitativ gute Bildung von der Kita über die Schule, die berufliche Bildung bis hin zur Hochschule ist der Schlüssel dafür, dass möglichst alle Menschen gleiche Chancen haben, etwas aus ihrem Leben zu machen. Umfassende Bildung muss dementsprechend ein Schwerpunkt in den Leitlinien und Empfehlungen der EU sowie in ihren eigenen Programmen sein. Auch ist Bildung eine Schlüsselressource für wirtschaftlichen Fortschritt. Europa kann nicht über niedrigere Löhne und soziale Standards, sondern nur über Innovation, eine höhere Qualität der Arbeit und über die Kompetenz und das Wissen der Menschen erfolgreich mit den anderen Regionen in der Welt konkurrieren.
• Gleichstellung als Gerechtigkeitsfrage: Frauen sind von den Folgen der Krise besonders betroffen. Deshalb verstehen wir Gleichstellungspolitik in einem sozialen Europa als zentrale Querschnittsaufgabe. Wir wollen die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen durch wirksame und verbindliche europäische Regelungen voranbringen: bei der Durchsetzung von gleichem Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit, bei der Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt, durch mehr Frauen in Führungspositionen oder durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer. Die Gleichstellungspolitik der EU sollte in einem eigenen Ressort der Kommission gebündelt werden. Und wir setzen uns für ein erneutes “Europäisches Jahr zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen“ ein.
• Sozialstaatlichkeit als Prinzip: Der Sozialstaat ist bewährte Tradition in Europa. Aber wir wollen, dass die EU die Sozialstaatlichkeit in den Mitgliedsstaaten respektiert und sie nicht rein marktwirtschaftlichen Interessen unterwirft oder im Zuge der Krisenpolitik massiv aushöhlt. Wer wirtschaftliche Prosperität und soziale Teilhabe gegeneinander ausspielt, verkennt, dass beide keine Gegensätze sind, sondern sich bedingen und stärken. Auch wollen wir soziale Mindeststandards europäisch vereinbaren, um europaweit ein möglichst hohes soziales Schutzniveau zu erreichen.
• Altern in Würde: Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in der Mehrzahl der EU-Staaten wollen wir auch die Situation der Älteren in Europa nicht aus dem Blickwinkel verlieren. Wir wissen: Wer existentielle Sorgen hat und sich aus der Gesellschaft ausgeschlossen fühlt, kann nicht in Würde altern! Die gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten der Seniorinnen und Senioren sind eng verbunden mit ihrer finanziellen Situation. Wir werden uns deshalb dafür einsetzen, dass die ältere Generation, die die EU aufgebaut hat, nicht überproportional stark zu den Verlierern der Krise zählt.
• Ein sozialer Stabilitätspakt: Perspektivisch wollen wir gemeinsame europäische Ziele für nationale Sozial- und Bildungsausgaben gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der EU-Staaten vereinbaren. So werden die Kompetenzen der Mitgliedstaaten in diesen Bereichen gewahrt, zugleich aber gemeinsame Fortschritte bei der Bildung und sozialen Sicherung in Europa ermöglicht.
• Kein Raum für Diskriminierung: Jeder Form der Diskriminierung, sei es aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung, treten wir aufs Schärfste entgegen. Die Rechtsetzung der EU bei der Anti-Diskriminierung gilt es in Richtung eines umfassenden Schutzes weiterzuentwickeln. Wir wollen, dass Europa ein diskriminierungsfreier Raum der Chancengleichheit ist!
Ein Europa des Aufbruchs – nicht des Stillstands
Europa darf sich in der ökonomischen Krise nicht vor falsche Alternativen stellen lassen. Es geht um Wachstum durch Zukunftsinvestitionen und eine konjunkturorientierte Haushalts- und Konsolidierungspolitik. Beides muss geleistet werden.
Sparpolitik allein ist kein Zukunftskonzept, weder ökonomisch, fiskalisch, sozial noch politisch. Sie hat die Probleme in den Krisenländern teils zusätzlich verschärft. Die Arbeitslosigkeit besonders unter Jugendlichen ist gerade in Südeuropa extrem in die Höhe geschnellt. Die Schere zwischen arm und reich in Europa reißt weiter auf.
Eine konsequente Konsolidierungspolitik für solide Finanzen und Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit bleibt wichtig. Dafür sind weitergehende Anstrengungen aller Mitgliedstaaten notwendig, die kontrolliert und eingehalten werden müssen. Sie dürfen allerdings die Staaten und ihre Bürgerinnen und Bürger nicht überfordern. Und sie muss durch eine Wachstumspolitik ergänzt werden, die auf Investitionen in wirtschaftliche Innovation, Beschäftigung, Bildung und Ausbildung setzt. Wir wollen einen neuen wirtschaftlichen Aufbruch für Europa.
• Eine Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik: Wir wollen Schritte hin zu einer demokratisch kontrollierten, koordinierten, europäischen Wirtschaftspolitik verwirklichen, die Europa auf einen nachhaltigen, gemeinsamen Wachstumspfad bringen muss. Exzessive wirtschaftliche Ungleichgewichte im Euroraum müssen bekämpft werden. Verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung muss Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit mit sozial- und beschäftigungspolitischen Zielen verbinden. Notwendig ist eine Neuausrichtung weg von der einseitigen Ausrichtung auf Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung – hin zu einer Politik, die Wachstum und Innovation mit hoher Beschäftigung, ökologischem Fortschritt und sozialer Gerechtigkeit verbindet.
• Zukunftsinvestitionen stärken: Die finanz- und wirtschaftspolitische Koordinierung darf nicht nur auf die Sparziele des Stabilitäts- und Wachstumspaktes beschränkt bleiben. Es sind ebenso verbindlicher koordinierte Anstrengungen und Ziele für Investitionen besonders in Wachstum, Beschäftigung und Bildung erforderlich. Der auf Initiative der SPD und der europäischen Sozialdemokraten beschlossene europäische Wachstumspakt (120 Mrd.) muss zügig umgesetzt werden. Besonders wichtig ist es, den Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zu Krediten zu verbessern. Die Europäische Investitionsbank (EIB) muss hierzu durch eine erhöhte Darlehensvergabe beitragen. Projekt-Anleihen, die europäische Investitionen anstoßen, wollen wir ausbauen.
• Ein europäischer Wachstums- und Aufbaufonds: Wir wollen alle Spielräume für Investitionen in Wachstum und Beschäftigung nutzen. Nicht genutzte Mittel aus dem EU-Haushalt müssen in den Folgejahren zur Verfügung stehen und gezielt für Zukunftsinvestitionen verwendet werden. Mittel aus der europäischen Finanztransaktionssteuer sollten auch in europäische Investitionsprojekte fließen. Bei der Revision des EUFinanzrahmens 2016 werden wir uns dafür stark machen, dass weitere Mittel für Wachstum, Innovation und Beschäftigung in Europa frei werden.
• Ein starker Euro: Der Euro hat sich als nach innen und außen stabile Währung bewährt und trägt maßgeblich zu Wachstum und Wohlstand in Deutschland und Europa bei. Wir wollen die gemeinsame Währung gerade jetzt in schwieriger Zeit stärken. Nur mit einer starken Wirtschafts- und Währungsunion werden wir nicht zum Spielball der Währungsstrategien anderer Kontinente. Wer den Euro in Frage stellt, setzt Europa und die Menschen unkalkulierbaren ökonomischen, sozialen und politischen Risiken aus.
• Eine intelligente Industriepolitik: Wir wollen eine intelligente europäische Industriepolitik, die auf Innovation und Wachstumspotenziale in den Leitmärkten der Zukunft setzt, wie etwa den erneuerbaren Energien, dem Verkehr, transeuropäischen Netzen, digitalen Medien, der Telekommunikation oder Breitbandversorgung. Dies unterstützt auch die Entwicklung industrienaher Dienstleistungen. Nur wenn Europa weiterhin die Werkbank für innovative Produkte ist, lassen sich die Ziele Wohlstand, hohe Beschäftigung, gute Löhne und Umweltschutz verwirklichen.
• Eine innovative Energie- und Umweltpolitik: Wir treten für eine ambitionierte Umwelt- und Energiepolitik der EU ein, die Klima-, Umwelt und Naturschutz, wirtschaftliches Wachstum und Beschäftigung nicht als Gegensätze begreift. Wir wollen, dass Europa Vorreiter für ein neues Bündnis von Umwelt, Wirtschaft und Arbeit ist. Der Ausbau erneuerbarer Energien und eine erhöhte Energieeffizienz müssen dazu europaweit mit mehr Nachdruck vorangebracht werden. Wir setzen uns auch für eine Reaktivierung des Emissionshandels ein und befürworten eine verbindliche Zielsetzung der EU bis 2030 zur Reduktion der Treibhausgasemissionen von 40 Prozent und ein verbindliches EU-Ausbauziel für die erneuerbaren Energien.
• Eine ambitionierte digitale Agenda: Als eine Schlüsselaufgabe für die Zukunft muss Europa eine ambitionierte digitale Agenda entwickeln. Die Rolle, die Europa im 21. Jahrhundert spielen wird, hängt entscheidend davon ab, ob es uns gelingt, in der digitalen Welt Anschluss zu halten und europäische Standards durchzusetzen, in der Technologie ebenso wie etwa beim Datenschutz und digitalen Grundrechten.
• Starker europäischer Datenschutz: Wir wollen ein umfassendes europäisches Regime zum Datenschutz auf hohem Niveau. Deutsche Grundrechtsstandards dürfen hierdurch allerdings nicht verwässert oder in Frage gestellt werden. Auch muss sichergestellt sein, dass personenbezogene Daten nicht ohne hohe Anforderungen an Drittstaaten mit weitaus geringerem Datenschutzniveau weitergegeben werden dürfen. Wir verlangen, dass Europa seine Bürgerinnen und Bürger und den Schutz ihrer Daten selbstbewusst gegenüber unseren Partnern in der Welt verteidigt, insbesondere gegenüber den USA. Die NSA-Affäre darf nicht ohne Folgen bleiben. Europa muss eine klare gemeinsame Antwort auf die unhaltbaren Spähpraktiken geben. Europa darf weder zulassen, dass seine Bürgerinnen und Bürger zum Spielball der ökonomischen Interessen gigantischer Internet-Konzerne werden, noch dass sie schutzlos den Spähattacken anderer Staaten ausgeliefert sind.
Ein Europa des Friedens und der Offenheit - nicht der Konfrontation und der Abschottung
Europa ist eine erfolgreiche Friedensgemeinschaft. Dafür wurde die Europäische Union zu Recht mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Wir wollen, dass Europa seine Erfahrungen der inneren Friedensstiftung auch in die internationalen Beziehungen einbringt und aktiv zum Aufbau einer friedlichen und gerechten Ordnung der Welt mit beiträgt.
Das geeinte Europa ist im globalen 21. Jahrhundert unsere gemeinsame Chance unsere Werte und Interessen als Europäer in der Welt zu behaupten. Ein gespaltenes Europa hingegen wird im Konzert der Mächtigen in der Welt von morgen keine Stimme haben. Es wäre Spielball der Interessen Anderer.
Die EU-Mitgliedstaaten sind eine Wertegemeinschaft, die gemeinsamen menschenrechtlichen Traditionen verpflichtet ist. Das muss sich auch in der Flüchtlings und Asylpolitik widerspiegeln. Die dramatischen Schiffsunglücke vor der europäischen Mittelmeerküste haben uns eindringlich vor Augen geführt, dass es einen grundsätzlichen Kurswechsel in der europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik geben muss.
• Friedensmacht Europa: Wir wollen neue politische Initiativen zur Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU auf den Weg bringen. Die Schwerpunkte sollen dabei auf diplomatischen und zivilen Mitteln zur Krisenprävention und Konfliktregelung und auf einer strategischen Weiterentwicklung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik liegen. Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EUStaaten wollen wir noch stärker europäisch ausrichten und zusammenführen. Langfristiges Ziel bleibt der Aufbau einer Europäischen Armee. Diese eröffnet auch große Chancen für konventionelle Abrüstung und einen effizienteren Ressourceneinsatz in der europäischen Sicherheitspolitik. Der Aufbau einer Europäischen Armee muss durch den Ausbau der Informations- und Kontrollrechte des Europäischen Parlaments flankiert werden.
• Partnerschaft und Kooperation: Die Kooperationspolitik der EU hat sich als vorausschauende Friedenspolitik bewährt. Wir wollen, dass die EU ihre Türen für neue Mitglieder offenhält, wenn diese vor dem Beitritt alle erforderlichen Kriterien erfüllen. Auch muss die EU ihre eigene Aufnahmefähigkeit sicherstellen. Die laufenden Verhandlungen mit der Türkei führen wir mit dem erklärten Ziel eines Beitritts weiter. Die Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen mit der Türkei und deren Anbindung an die EU liegen im deutschen Interesse. Die EU fußt auf der unbedingten Achtung von Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Meinungsfreiheit. Gerade auch im Umgang mit oppositionellen Kräften erwarten wir von der türkischen Regierung die Respektierung dieser Werte und Prinzipien und deren innerstaatliche Durchsetzung. Deutschland hat zudem ein grundlegendes Interesse an der Stabilisierung des Westlichen Balkans. Wir halten deshalb an der Beitrittsperspektive dieser Länder fest und wirken darauf hin, anhand klarer Kriterien den notwendigen politischen und gesellschaftlichen Wandel in diesen Ländern voranzubringen. Es liegt im vitalen Interesse Deutschlands und der EU, Stabilität, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung in angrenzenden Regionen zu fördern. Mit einer weiterentwickelten Europäischen Nachbarschaftspolitik wollen wir die Partnerländer dauerhaft für eine gute Zusammenarbeit gewinnen und demokratische Transformationsprozesse noch gezielter unterstützen. Das gilt gegenwärtig in besonderer Weise für die europäische Zusammenarbeit und Partnerschaft mit der Ukraine. Für uns ist dabei klar: Die Einhaltung demokratischer und menschenrechtlicher Standards ist die Basis einer Assoziierungspartnerschaft mit der Ukraine. Auch muss gewährleistet sein, dass die Debatte über den künftigen Weg des Landes offen und unter breiter politischer und zivilgesellschaftlicher Teilhabe geführt werden kann. Nicht Konfrontation, sondern Dialog und Offenheit bringen das Land voran. Russland ist ein wichtiger Partner für Europa. Wir wollen Russland für gemeinsame Problemlösungen bei drängenden internationalen Herausforderungen gewinnen und die Partnerschaft entlang einer erneuerten politischen Agenda weiterentwickeln. Kritische Themen wie demokratische und menschenrechtliche Fragen müssen dabei in einem offenen Dialog thematisiert werden.
• Fairer Handel: Wir wollen, dass die EU zum weiteren Ausbau der weltweiten Handelsbeziehungen beiträgt. Dies verbessert auch die Absatzchancen für deutsche und europäische Produkte. Eine Handelsliberalisierung darf aber nicht zum Absinken unserer rechtsstaatlichen, sozialen, ökologischen oder Standards beim Verbraucherschutz führen. Das gilt besonders für die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA. Stattdessen muss es Ziel sein, möglichst fortschrittliche arbeitsrechtliche, soziale und ökologische Standards in den bilateralen und internationalen Handelsbeziehungen zu verankern. Freihandelsabkommen dürfen auch nicht das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen sowie öffentliche Daseinsvorsorge, Vergabe und Infrastrukturen gefährden.
• Ein weltoffenes, tolerantes Europa: Wir wollen eine Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik, die Grundrechte sichert. Europa ist ein Einwanderungskontinent. Wir wollen die Möglichkeiten der legalen Zuwanderung erhalten und weiterentwickeln. Perspektivisch wollen wir das „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ durch ein System ersetzen, das auf besserer Verantwortungsteilung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten beruht. Bereits zuvor wollen wir in Fällen, in denen in einem Mitgliedsstaat das Asylsystem oder die Infrastruktur akut überlastet sind, durch einen zeitlich befristeten Mechanismus den Transfer von Flüchtlingen in einen anderen Mitgliedstaat ermöglichen. Die gute Behandlung und Versorgung der Flüchtlinge muss dabei in jedem Fall voll gewährleistet sein.
• Schutz der Menschenrechte: An den EU-Außengrenzen darf es keine Abstriche beim Flüchtlingsschutz und den Menschenrechten geben. Der Grundsatz der Nichtzurückweisung muss ebenso gewährleistet sein wie die Pflicht zur Seenotrettung. Auch dürfen diejenigen, die Flüchtlinge aus Seenot retten, nicht länger kriminalisiert werden.
• Fluchtursachen bekämpfen: Die deutsche sowie die europäische Entwicklungszusammenarbeit müssen künftig noch stärker darauf setzen, Fluchtursachen zu bekämpfen. Die wenigsten Menschen wollen ihre Heimat verlassen. Notwendig für die Überwindung von Armut ist ein breitenwirksames, nachhaltiges Wachstum. Ungleichheiten in den Gesellschaften müssen überwunden und gute Arbeit geschaffen werden. Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit sollten dabei sein: Investitionen in landwirtschaftliche Entwicklung, Hilfen beim Auf- und Ausbau sozialer Sicherungssysteme, die Gleichstellung von Männern und Frauen und als wichtigste Voraussetzungen für Entwicklung der Zugang zu guter Bildung, Gesundheitsversorgung und Ernährung besonders in den ärmsten Ländern.
Ein europäisches Deutschland - nicht ein deutsches Europa
Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat gezeigt, dass Frieden, Wohlstand, soziale Sicherheit und kultureller Reichtum in unserem Land nur in einem geeinten und starken Europa gesichert sind.
Europa und der europäische Einigungsprozess sind Teil der deutschen Staatsraison. Deshalb gibt es für uns keine Alternative zu einem europäischen Deutschland. Deutschland steht in der Verantwortung, das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit Europas zu stärken.
Unserem Land in der Mitte Europas kann es nur dauerhaft gut gehen, wenn es auch unseren europäischen Nachbarn gut geht. Und auch gegenüber den anderen Regionen und aufstrebenden Ländern und Regierungen in der Welt wird sich Deutschland nur im Zusammenschluss der Europäischen Union behaupten und seinen Wohlstand bewahren können.
Ein europäisches Deutschland ist daher Leitbild unserer Europapolitik, nicht ein deutsches Europa.
Wenn Europa handlungsfähig bleiben und in der Krise nicht auseinanderdriften will, muss es sich darauf zurückbesinnen, was die europäische Einigung auszeichnet: Zusammenarbeit, Respekt, Transparenz, Solidarität auf der Grundlage starker europäischer Institutionen und demokratischer Verfahren für einen fairen europäischen Interessenausgleich. Dieser Grundkonsens und diese politische Kultur müssen wieder gestärkt und erneuert werden.
Die letzten Jahre haben gezeigt, Europa braucht neue Ideen, neue Impulse und eine neue Richtung. Die Fortschreibung des Status quo gibt keine Zukunft mehr für die Idee eines Europas des Friedens, Wohlstands, der sozialen Gerechtigkeit und des Fortschritts.
Die Europawahl und ein von den Bürgerinnen und Bürgern legitimierter EUKommissionspräsident bieten die Chance, den Status quo in Europa zu überwinden und zu verändern.
Wir sind davon überzeugt, dass wir die besseren Ideen, die besseren Konzepte und mit Martin Schulz einen Spitzenkandidaten haben, der Europa neu denken und eine Richtung geben kann:
Eine europäische Zukunft kommt nicht von allein